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Bundesliga

Berater beeinflussen Jugendspieler immer früher negativ

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Mario Götze und Julian Draxler gehören zu den besten und erfolgreichsten Fußballern des Landes. Schon früh zeichnete sich bei beiden ab, dass der Sprung in den Profibereich gelingen wird. Wenig verwunderlich, dass bereits früh Scouts der deutschen Klub-Fußball-Elite auf sie aufmerksam geworden sind und sowohl Draxler wie Götze im jungen Alter in die Nachwuchsakademien zweier großen Bundesligavereine kamen. Ob Berater auch hier schon eine Rolle spielten?

Berater nutzen Träume der jungen Kicker aus

Fortan ging die Reise los, der Tag strukturiert und vorgegeben vom Internat. Im Mittelpunkt steht der Fußball, nebenher wird gelernt und im besten Fall das Abitur gemacht.  Die Jugendlichen sollen in jedem System funktionieren. Sie sind ständig gefordert und bereit, für ihren Traum alles zu geben. Im wichtigsten Alter eines jungen Menschen wird das sichere Umfeld, bestehend aus Familie und Freunden, verlassen, um dahin zu kommen, wo das Idol schon ist oder war. Die jungen Talente schauen auf zu einem Zidane, Ronaldo oder Iniesta, die allesamt zu den besten Kickern ihrer Zeit gehörten. Sie geben die Motivation, Tag für Tag alles zu geben und mindestens genauso viel fallen zu lassen. Sie wollen ihren Traum realisieren. Er soll als Entschädigung dienen, was im Alter von 14 bis ca. 35 durch den Beruf des Profis verloren geht.

Während die Teenager träumen und rackern, bringt sich ein anderer schon in Stellung: Der Berater. Seit Götze, Draxler und Co. gibt es kein Abwarten und keine Schonfrist mehr. Heutzutage werden die oftmals noch naiven Jungs schon in U14 und U15 angeworben und gelockt. Einzigen Rückhalt und Schutz bietet da die meist weit entfernte Familie und vielleicht noch manchmal der Trainer. Dass dies Gang und Gebe ist und mittlerweile fast jeder U19-Profi einen Berater an seiner Seite hat, bestätigt Markus Hirte, ehemaliger Leiter des Nachwuchsleistungszentrum von Fortuna Düsseldorf: „Ab der U14 bzw. U15 geht es mittlerweile los, in der U19 hat dann fast jeder Spieler einen Berater.“

Itter und Eberl sehen Gefahr bei Kontaktversuchen mit jungen Spielern

Anders als Hirte, der dies mittlerweile als normal und willkommen beschreibt, sieht das beispielsweise Gian-Luca Itter. Er ist Jung-Profi beim VfL Wolfsburg und Nachwuchshoffnung auf der linken Abwehrseite. Dennoch geht er mit der Beraterbranche hart ins Gericht und beklagt deren Dreistigkeit. Denn selbst als vertraglich gebundener Spieler des VfL wird er oftmals sogar unseriös über soziale Medien von sogenannten Beratern kontaktiert. Er sieht eine große Gefahr in diesen Methoden:„Ich sehe bei jungen Spielern schon eine Gefahr darin, gerade dann, wenn man nicht aus einem stabilen Umfeld kommt. Die Verlockung ist groß, auf Dinge, die da versprochen werden, einzugehen.“

Beistand erhält der 19-Jährige auch von Gladbach-Manager Max Eberl und Volker Kersting, NLZ-Leiter des 1.FSV Mainz 05. Eberl lässt sogar tiefer blicken und erläutert die Maschen mancher Berater und beklagt seine Machtlosigkeit:„Im Jugendbereich treten Menschen auf, die sich auch an Minderjährigen bereichern wollen. Man kann diese Menschen nicht von der Anlage verweisen, denn dann sprechen sie die Talente einfach im Internet an. Alle Vereine spüren, dass 12-, 13-, 14-Jährige kontaktiert werden. Auch die Eltern werden kontaktiert. Ihnen werden Urlaube oder Autos versprochen.“

Kersting kritisiert Beraterbranche generell

Volker Kersting geht gar einen Schritt weiter und beschreibt die Berater als „unseriös hoch zehn“ und betitelt ihr Geschäft als „Kinderhandel“. Er spricht sich klar gegen dieses Handeln aus und formuliert sogar eine Art Leitsatz seiner Arbeit und des Vereins Mainz 05:„In diesem Altersbereich aber setzen wir uns mit Beratern grundsätzlich nicht an einen Tisch. Dann verzichten wir lieber auf einen Spieler.“Dieser Verzicht bedeutet andererseits natürlich auch Einbuße auf Vereinsseite. Jedoch wiegt dem 46-Jährigen dieser „Verlust“ nicht schwer. Im Gegenteil: Er befürchtet, dass künftig schon im Jungendbereich versucht werden wird, mit Nachwuchskickern Geld zu machen. Aber nicht nur die Berater sind zu kritisieren.

Das Phänomen reicht auch hin zu Sponsorenfirmen wie Nike und Puma oder Adidas. Diese versuchen, möglichst früh den nächsten großen Namen über ihre Produkte vermarkten zu können. In seinen Worten bezeichnet er die Jugendlichen und Eltern als „Spielball des Geldflusses“. Obendrei befürchtet er Auswirkungen auf die fußballerischen Fähigkeiten der Spieler. Durch das Dasein der Berater fühlen sich junge Spieler, die ihre Leistung nicht bringen, unschuldig. Stattdessen verantworten sie ihren Berater für den wiederholten Platz auf der Bank. Dies sieht Kersting als große Gefahr, da den Jugendlichen dadurch das wichtigste „Talentkriterium im Fußball“ abhanden ginge, nämlich „gegen Widerstände anzugehen“. 

Zwar nimmt Kersting die qualifizierten Berater in Schutz, indem er diese Kritik nur an den Teil der unqualifizierten Spielerberater adressiert. Allerdings sind in seinen Augen genau diese die „größten Talent-Vernichter“ Deutschlands. 

DFB Reform sorgt für Vielzahl an Beratern

Worauf der 56-jährige Leiter des Mainzer Nachwuchsleistungszentrum anspielt, ist die fehlende Kompetenz vieler Berater. Nachvollziehbar werden seine deutlichen Worte, wenn man in Betracht zieht, dass Deutschland im internationalen Vergleich mit Abstand die meisten gelisteten Berater hat. Mit rund 760 registrierten Agenten ist Deutschland einsame Spitze vor Italien (260), der Türkei (129), Spanien (110) und sogar dem Fußballgiganten England (125).

Grund für diesen enormen Überschuss ist eine Regeländerung des Deutschen Fußball-Bundes zum 1. April 2015. Seither ist es lediglich nötig, ein polizeiliches Führungszeugnis und 500 Euro pro Transferperiode in Köln zu hinterlegen. Auch der Weltverband FIFA schaffte zum Nachteil des gesamten Konstruktes die Lizenz für Spielerberater ab, wodurch grundlegende Prüfungen zu Fragen aus dem gesamten Reglement der FIFA, des DFB und des Ligaverbandes wegfielen. 

Seriöse Berater müssen geduldig sein

Natürlich muss man das ganze Thema etwas differenzierter sehen. Genauso wie es die Berater gibt, die nur nach ihrem Wohlwollen handeln, gibt es auch seriöse Vertragspartner, die sich an ihrem Schützling orientieren. So praktiziert es beispielsweise René von Bruch von der Agentur „Coaches & More“, der vor allem an Nachhaltigkeit interessiert ist. 

Zu seinen Aufgaben gehört auch, den Jugendlichen den Rücken und, noch wichtiger, den Kopf frei zu halten. Zusätzlich möchte er als Kompetenz die Interessen derer und ihrer Eltern in Verhandlungen zur Sprache zu bringen. Hirte, aktuell Leiter der Talentförderung beim DFB, nimmt indes Berater wie René von Bruch in Schutz und erklärt deren Vorgehen: „Die Berater sprechen am Anfang der Saison mit den Jungs, mit den Eltern, sagen, sie sollen sich melden, wenn sie Hilfe brauchen“. 

Und auch er selbst gibt offen zu, dass sein Wort in den Jugendjahren meistens völlig fehl am Platzs sei. Anfangs gehe es nur um die grundlegenden Dinge wie Unterstützung, Betreuung, Begleitung und mit Rat und Tat zur Seite stehen. Berater wie er brauchen dadurch auch Geduld und arbeiten vorrangig in einem unrentablen Umfeld mit dem Nachwuchs. Denn erst wenn es darum geht, den Karriereweg zu definieren und die ersten Verträge auszuhandeln, geht die Arbeit so richtig los. Erst dann, mit dem Erreichen der Volljährigkeit, tritt der Berater aus dem Schatten des Spielers.