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Nationalmannschaft

Suche nach einem neuen Bundestrainer: der aktuelle Stand

Zum ersten Mal in seiner über hundertjährigen Geschichte hat der DFB einen Bundestrainer entlassen: am 10. September 2023 musste Hansi Flick seinen Posten nach 25 Partien und nur drei Siegen aus den letzten zehn Spielen räumen. Bis zur USA-Reise der deutschen Nationalmannschaft am 9. Oktober soll ein Nachfolger gefunden werden. Das Beuteschema ist klar: Der Deutsche Fußball-Bund will einen Coach, der die Mannschaft optimal auf die Heim-EM in neun Monaten vorbereitet und ein erfolgreiches Turnier spielt. Die Kandidatenliste ist überschaubar, die Hürden für den DFB vielleicht größer als erwartet und die Zeit drängt. Der aktuelle Stand.

Julian Nagelsmann

Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images

Erste Sondierungsgespräche zwischen Julian Nagelsmann und dem DFB haben bereits stattgefunden – Ergebnis: Der Top-Kandidat zögert. Der 36-Jährige wird als großer Fachmann betitelt und es ist logisch, dass er nach seinem Aus beim FC Bayern München im März als heißer Anwärter gilt. Obwohl Nagelsmann beim FC Bayern trotz seiner Beurlaubung noch einen Vertrag bis 2026 besitzt, würden ihm die Münchner, so Ehrenpräsident Uli Hoeneß, „keine Steine in den Weg legen“ und ihn ablösefrei ziehen lassen.

Knackpunkt: Die Gehaltsfrage. Aktuell stehen Nagelsmann bis Ende 2026 rund sieben Millionen Euro jährlich zu. Der finanziell angeschlagene DFB bietet ihm aber laut „Bild“ und „Kicker“ nur vier Millionen Euro. Die klaffende Differenz sollte eine Abfindungszahlung seines Ex-Arbeitgebers begleichen. Der FC Bayern lehnte den Antrag des Nagelsmann-Lagers auf eine zusätzliche Abfindung jedoch umgehend ab. Nun liegt es an Nagelsmann und dem DFB eine Einigung über das Salär zu erzielen.

Auch soll die einmalige Chance, seine Nationalmannschaft durch ein Turnier im eigenen Land zu führen, für Nagelsmann reizend sein. Ein Selbstläufer sei ein erfolgreicher Ausgang aber nicht. Aus sportlicher Sicht wäre ein Engagement des 36-Jährigen als Bundestrainer sinnvoll: Er wäre eine langfristige Lösung über die Heim-EM 2024 hinaus und kennt viele Nationalspieler von früheren Stationen.

Louis van Gaal

Foto: Ramon van Flymen/ANP/AFP via Getty Images

Aufgrund des Zögerns von Julian Nagelsmann rückt der Name Louis van Gaal in der öffentlichen Diskussion immer stärker in den Fokus. Auch die Weltmeister Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger sprachen sich für ihren Ex-Trainer (von 2009 bis 2011 beim FC Bayern) aus. „Louis van Gaal steht als Trainer auf dem Platz für Disziplin, Ordnung und Struktur in der Spielweise seiner Mannschaften. Er vermittelt dies stets durch eine sehr klare Ansprache“, sagte Lahm bei „Bild“.

„Die Mannschaft braucht eine Persönlichkeit, die große Schultern hat“, sagte Sportschau-Experte Schweinsteiger. Neben seiner Autorität würde van Gaal auch viel Erfahrung mitbringen: Er wurde dreimal niederländischer Nationaltrainer und brachte 2009 den FC Bayern in Schwung. Mit van Gaal würde der DFB ein Novum eingehen: erstmals wäre ein Trainer aus dem Ausland Bundestrainer. Allerdings schloss DFB-Präsident Bernd Neuendorf dieses Szenario nicht aus, solange der neue Nationaltrainer Deutsch spricht. Flicks Nachfolger müsse zudem durchsetzungsstark und belastbar sein.

Van Gaal ist zweifellos durchsetzungsstark und beherrscht die deutsche Sprache – hinter dem Attribut der Belastbarkeit steht angesichts seines Gesundheitszustandes und Alters jedoch ein Fragezeichen. Erst letztes Jahr kämpfte der 72-Jährige erfolgreich gegen Prostata-Krebs. Dennoch signalisierte der einstige Bayern-Coach grundsätzlich seine Bereitschaft, den Job als Bundestrainer zu übernehmen. Er selbst sagte gegenüber „Bild“: „Normalerweise trainiere ich nicht mehr bei einem Verein, aber ein vielversprechendes Land hat immer noch eine Chance, mich zu überzeugen.

Bleibt nur die Frage, ob der DFB mit ihm das Risiko eingeht, dass er vor der EM kurzfristig ausfallen könnte. Ohnehin wäre die Trainer-Ikone wohl nur eine kurzfristige Lösung für das Turnier.

Stefan Kuntz

Stefan Kuntz ist derzeit Trainer der türkischen Nationalmannschaft – ob er es bleiben wird, ist unklar. Unter anderem die regierungsnahe Nachrichtenagentur DHA berichtete am Sonntag, der türkische Verband TFF habe den 60-Jährigen entlassen. Der Verband dementierte die Berichte, die „nicht der Wahrheit“ entsprächen. Kuntz sei für Mittwoch ins nationale Trainingszentrum bei Istanbul eingeladen worden, um dort Gespräche mit Verbandschef Mehmet Büyükeksi zu führen. Danach werde es eine öffentliche Mitteilung geben.

Zuvor wurde er mit der deutschen U21 zweimal Europameister und bewies, dass er aus vielen Talenten eine echte Mannschaft formen kann. In der emotionalen Atmosphäre der türkischen Nationalmannschaft ist das bisher nicht ganz so gut geglückt. Bei seiner ersten Station als Trainer einer A-Nationalmannschaft gewann Kuntz zwölf von 20 Spielen. Es ist jedoch unklar, inwieweit er – sofern verfügbar – als nächster Bundestrainer infrage kommt. Aber er wäre ein typischer DFB-Nachfolger mit Stallgeruch, der den Verband und viele junge Spieler wie Serge Gnabry, Florian Wirtz oder Nico Schlotterbeck gut kennt.

Oliver Glasner

DFB-Präsident Bernd Neuendorf zeigte sich dem Novum eines ausländischen Bundestrainers gegenüber offen. Somit gilt auch der aktuell verfügbare Oliver Glasner als Kandidat. Er führte Eintracht Frankfurt 2022 sensationell zum Europa-League-Titel, gilt als exzellenter Fachmann und wäre ablösefrei.

Allerdings ist seine Entlassung bei der Eintracht im Sommer auch auf durchwachsene Ergebnisse und Unstimmigkeiten zurückzuführen. Der Österreicher gilt als unbequem und hat weder als Trainer noch als Spieler eine WM oder EM erlebt.

Felix Magath

Foto: Christof Koepsel/Getty Images

Felix Magath wäre für den DFB eine deutsche „Light-Version“ von Louis van Gaal. Der 70-Jährige gewann als Spieler 1980 die EM und Anfang der 2000er als erfolgreicher Bundesligatrainer drei Meisterschaften. Magath hat sich als möglicher Nachfolger von Hansi Flick selbst ins Gespräch gebracht und sei nach eigenen Aussagen weiterhin grundsätzlich offen für die Aufgabe.

Aufgrund der heiklen Gehaltsfrage rund um Julian Nagelsmann und des ungewissen Gesundheitszustandes von van Gaal könnte „Quälix“ Magath als Plan B oder C ein ernsthafter Kandidat werden. Obwohl seine Methoden als veraltet belächelt wurden, konnte der 43-fache Nationalspieler zuletzt Hertha BSC im Jahr 2022 vor dem Abstieg retten.

Klopp, Völler & Co.: die Absagen

Foto: Shaun Botterill/Getty Images

Wunschkandidat Jürgen Klopp „steht für das Bundestraineramt nicht zur Verfügung.“ Das bestätigte sein Berater Mark Kosicke vor rund einer Woche. Der 56-Jährige will seinen bis 2026 datierten Vertrag beim FC Liverpool erfüllen und schließt eine Doppelfunktion aus. Auch die Außenseiter-Kandidaten Lothar Matthäus, Mario Basler und Matthias Sammer sagten ab.

Roger Schmidt, Trainer des portugiesischen Meisters Benfica Lissabon, erklärte am Samstag, dass auch er für den Posten nicht infrage komme. Er fühle sich in Portugal wohl und möchte Benfica nicht verlassen. „Meine Ambition ist es, bis 2026 bei Benfica zu sein. Darum habe ich hier einen neuen Vertrag unterschrieben.“ Der 56-Jährige wäre für den klammen DFB ohnehin nicht bezahlbar gewesen. Benfica Lissabon hätte für seinen Coach wohl eine Ablösesumme von knapp 30 Millionen Euro verlangt.

Interimstrainer Rudi Völler hatte vor und nach dem 2:1-Sieg gegen Frankreich mehrfach betont, dass er sich auf seine Arbeit als Sportdirektor konzentrieren werde und keine Option sei: „Für mich ist das eine einmalige Sache.“ Völler hatte die DFB-Elf gemeinsam mit den U20-Trainern Hannes Wolf und Sandro Wagner betreut. Noch ist unklar, wie es um sie steht.

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