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VfL Wolfsburg

Malcolm Badu im Fussballeck-Interview: „Der Sprung in Wolfsburg zum Profi ist unfassbar schwer“

Von 2012 bis 2019 stand Malcolm Badu beim VfL Wolfsburg unter Vertrag. Im Sommer verließ der 22-Jährige jedoch den Klub und wechselte nach Russland zu Spartak Moskau. Bei dem von Domenico Tedesco trainierten Klub will der ehemalige U20-Nationalspieler den nächsten Karriereschritt machen. Mit Fussballeck sprach Badu nun über die bisherige Zeit in Russland, Trainer Domenico Tedesco und seine Erfahrungen mit Rassismus.

Hallo Malcolm! Nach sieben Jahren beim VfL Wolfsburg hast du dich zu Beginn der Saison entschieden einen neuen Weg einzuschlagen. Wie kam es zum überraschenden Wechsel nach Russland zu Spartak Moskau?

Badu: Gute Frage! Das hätte ich vor der Saison auch nicht für möglich gehalten. Russland war nie ein Thema. Ich hab im letzten Jahr nicht mehr so viel Einsatzzeit bekommen, auch wenn ich bis heute nicht weiß warum. Im Sommer (2019) habe ich die Möglichkeit bekommen, mich im Trainingslager der ersten Mannschaft des FC Spartak Moskau beweisen zu können. Zudem gab es nicht die Vielzahl von Optionen auf dem deutschen Markt. 

Ich hab dem Probetraining daher sofort zugestimmt, denn Regionalliga wäre für mich keine Option mehr gewesen. Letztlich hab ich im Trainingslager in Österreich vorgespielt und den Trainer so beeindrucken können, dass es schlussendlich für einen Vertrag gereicht hat.

Wie waren deine ersten Eindrücke von Russland?

Ich erinnere mich noch gut an die erste Reise. Du weißt natürlich erst einmal nicht, was auf dich zukommt. Moskau ist eine riesige Stadt mit fast 20 Millionen Einwohnern. Ich war mir dessen am Anfang noch gar nicht so bewusst. Es ist eine Wahnsinns-Stadt, wirklich unfassbar.

Hat dir die Ankunft von Andre Schürrle geholfen, um dich einzugewöhnen?

Meinen Vertrag unterschrieb ich am 10. Juli, also ein paar Wochen vor dem Transfer von Andre. Natürlich waren es vom Start weg eher die ausländischen Spieler, mit denen ich den meisten Kontakt hatte. Beispielsweise Samu (Samuel Gigiot, d. Red.), war seit dem Tag meiner Ankunft als wichtiger, englisch-sprachiger Ansprechpartner innerhalb des Teams immer für mich da. Es hat mich aber auch selbst überrascht, wie schnell ich mich mit der Sprache zurecht gefunden habe. Ich konnte den Russen zeigen, dass ich interessiert bin die Sprache zu verstehen und ein vollwertiger Teil von Spartak zu werden. Auch deswegen verlief die Integration, insbesondere was die ersten Wochen angeht, reibungslos.

Natürlich hat es mich aber zusätzlich gefreut, als Andres Wechsel verkündet wurde. Es macht einem das Leben leichter, wenn noch ein Deutscher in die Mannschaft kommt, speziell ein Weltmeister.

Malcolm Badu: „Ein Privileg auf solchem Niveau mit den Profis zu trainieren“

War dir zum Zeitpunkt deines Wechsels bereits bewusst, dass du zunächst einmal nur für die zweite Mannschaft in der 2. russischen Liga spielst?

Badu: Das war mir bewusst und der Plan: Mich über Leistungen in der zweiten Mannschaft für die erste beweisen. Der ehemalige Trainer Oleg Kononov hatte traditionell eher auf russische Spieler gesetzt. Zudem gibt es noch die Ausländer-Regelung, die besagt, dass sechs Russen in der Startformation stehen müssen. Ich bin damals nicht davon ausgegangen, dass ich zu Spartak gehe und direkt in der ersten Mannschaft spiele. Es war nicht einfach ein Wechsel des Vereins. Vielmehr, auch ein Wechsel des Landes, der Kultur und der Mentalität – und sportlich, nicht zu vergessen, eines ganz anderen Spielstil.

Für mich war der Wechsel ein Riesen-Ding. Ich bin immer noch der Meinung, dass es ein Privileg ist auf solchem Niveau mit den Profis, und dem Trainerteam zu trainieren und meine Spielpraxis bei der Zweiten zu holen. Wenn dann der Tag X kommt, an dem ich gebraucht werde, dann bin ich da, mit 100%.

Du hast in der bisherigen Saison acht Spiele für die zweite Mannschaft absolviert. Auf welchem Niveau siehst du Liga?

In der FNL geht es auf jeden Fall zur Sache, körperlich ist der Fußball hier wesentlich robuster. Man muss hart im Nehmen sein, Teams haben Ziele, es ist keine Gurken-Liga. Die oberen drei bis vier Teams wie Torpedo Moskau oder Rotor Volgograd dürften auch bei uns in der 2. Bundesliga bestehen. Im Vergleich zu Deutschland schätze ich das Niveau aber zwischen 3. Liga und Regionalliga ein.

Wie sind die allgemeinen Trainingsbedingungen im Vergleich zu Wolfsburg?

Tatsächlich sind es keine allzu großen Unterschiede. Wenn man natürlich die Trainingsbedingungen der zweiten Mannschaften oder der Akademien vergleicht, so sieht es in Wolfsburg etwas komfortabler aus. Die Jugend wird schon mehr verwöhnt dort. Wenn ich jedoch die Trainingsbedinungen der beiden Profi-Mannschaften vergleiche, ist Spartak auch ziemlich gut aufgestellt. Es gibt nichts was ich aus VfL-Zeiten vermissen könnte. Spartak ist aber auch im russischen Vergleich wohl mit der am besten aufgestellten Verein. 

Trainierst du bei den Profis mit oder bei der zweiten Mannschaft?

Es war von Anfang besprochen, dass ich nur bei den Profis trainiere. Das war auch Teil des Deals. Es hat mich natürlich gefreut, denn ich will mit den Besten trainieren. Ich bin in einem Alter, in dem ich so viel wie möglich aufsaugen will. Bei den VfL-Profis habe ich leider nur sporadisch mitgemacht. Bei Spartak ist es der Plan, dass ich durchgängig oben bin. Die Spielpraxis hole ich mir bei der Zweiten.

Malcolm Badu: „Ein Debüt scheint in greifbarer Nähe“

Du standest bereits ein paar Male im Kader der ersten Mannschaft. Zu einem Einsatz kam es noch nicht. Wie nah warst du an deinem Profi-Debüt für Spartak dran?

Badu: Ich war sechs Mal im Kader in der Hinrunde, das darf man nicht kleinreden. Klar, ich bin Verteidiger, aber meist sind es eher Offensivspieler, die die Trainer für Veränderungen ins Spiel bringen. Ich kann im 4-3-3-System auch vorne spielen, aber mit dem neuen Trainer Domenico Tedesco wurde auch das System umgestellt. Im 3-5-2 spielen die äußersten Flügelspieler meistens durch, da sie vital sind für unser Spiel. Nichts desto trotz scheint ein Debüt in greifbarer Nähe.

Wie ist das allgemeine Leben für dich seit deinem Wechsel nach Russland?

Ich bin alleine nach Russland gegangen. Meine Freundin ist in Deutschland geblieben, genau so wie meine ganze Familie. Meine Freundin macht gerade noch ihre Ausbildung zu Ende, was natürlich auch ziemlich wichtig ist. Ich bin quasi auf mich allein gestellt, habe eine sehr moderne Wohnung. Von dort ist es nicht weit zum Trainingszentrum. Am Anfang hatte ich ein wenig Angst einkaufen zu gehen, weil ich die Sprache nicht konnte, aber man muss sich da einfach drauf einlassen. Ich bin so ein Typ, der gerne alles aufsaugt. Ich habe nun gemerkt, ich kann auch in Russland bestehen, sowohl sportlich wie auch privat. Jetzt kann eigentlich kommen, was will. Frankreich, England, Italien, ich habe keine Angst.

Domenico Tedesco ist seit Mitte Oktober Trainer von Spartak Moskau. Ist es ein Vorteil, dass dein Trainer nun die gleiche Sprache spricht?

Klar ist das ein Vorteil. Ich finde gut, dass es diesmal kein russischer Trainer ist, sondern einer von außerhalb. Tedesco bewertet alles ziemlich neutral. Natürlich habe ich den Vorteil, dass ich seine Kommandos schneller verstehe und der Austausch schneller vonstattengeht. Der Vorteil gleicht sich aber aus, weil Domenico gefühlt fast alle Sprachen spricht und gerne mal Kommandos auf spanisch oder italienisch gibt.

2017 standest du für Deutschland bei der U20-Weltmeisterschaft auf dem Platz. Damals ebenfalls auf dem Feld waren Suat Serdar oder auch Jordan Torunarigha. Ziehst du im Nachhinein Vergleich mit ehemaligen Mitspielern?

Klar schaut man darauf, wo zum Beispiel Suat oder Jordan spielen. Ich gönne es ihnen. Ich konnte meine Karriereschritte immer realistisch einordnen. Für mich war es damals schon ein Highlight überhaupt dabei gewesen zu sein. Dass Suat und Jordan ihren Weg gehen, war für mich absolut klar. Natürlich hätte man im Nachhinein sagen können, wenn ich in Wolfsburg mein Bundesliga-Debüt gemacht hätte, wäre es anders gelaufen. Hätte, wäre und aber, so einer bin ich nicht. Ich gönne es jedem. Ich bin auch noch gut mit ihnen im Kontakt. Die haben sich das verdient.

Malcolm Badu: „Rassismus ist immer noch so ein großes Thema“

Wie nah warst du an einem Bundesliga-Debüt für Wolfsburg?

Badu: Man weiß ja sowieso, dass es in Wolfsburg immer etwas schwieriger ist. Sie haben eine hervorragende Jugendarbeit, aber man sieht an vielen Beispielen, wie schwer es ist nach oben zu kommen. Ich glaube nur Maxi Arnold und Robin Knoche haben sich dauerhaft etabliert. Ein gutes Beispiel ist Elvis Rexhbecaj, der sich erst nach Köln ausleihen musste, um Spielpraxis zu sammeln. Der Sprung in Wolfsburg zum Profi ist unfassbar schwer. Es müssen so viele Faktoren zusammenspielen, weshalb ich persönlich nicht sagen kann, wie nah ich dran war. Es geht immer um die Umstände, was gerade bei den Profis vorliegt, gegen wen die U23 spielt und und und …

Im Russischen Fußball gilt Rassismus weiterhin als großes Problem. Als Zenit St.Petersburg Malcolm verpflichtete, gerieten viele Anhänger in Aufruhr, da sie keinen dunkelhäutigen Spieler im Verein sehen wollen. Hast du selbst Erfahrungen machen müssen?

Ich glaube es war das vorletzte Spiel in der Hinrunde der zweiten Mannschaft. Als knapp 70 Minuten gespielt waren, hatte ich linksaußen den Ball. Auf einmal kamen ein paar Affengeräusche. Ich bin zum Schiedsrichter gegangen und meinte, dass ich den Platz verlasse, wenn es so weitergeht. Was ich persönlich überragend fand, dass die gegnerischen Spieler zu mir kamen, mich umarmten und mich beruhigten. Sie gingen zu den eigenen Fans und verlangten, dass sie aufhörten. Mich persönlich hat das jetzt nicht so verletzt, denn man sieht, das Rassismus immer noch so ein großes Thema ist, aber definitiv kein speziell russisches Phänomen – es ist omnipräsent, ob in Deutschland, Italien oder sonst wo. Wir machen in dieser Hinsicht aktuell eher Rück- als Fortschritte.

Willst du irgendwann wieder als Spieler nach Deutschland zurück?

Ich bin in Berlin geboren, habe für Deutschland gespielt. Es wird immer diese Verbundenheit da sein, aber Fußball ist so schnelllebig. Mein Ziel ist das Beste aus der Situation zu machen. Klar ist die Bundesliga oder Deutschland allgemein immer ein Ziel. Das Leben als Fußballer ist bekanntlich nicht einfach. Mal spielt man hier, mal spielt man da, mal kommt etwas Unerwartetes. Was ich mir einfach nur wünsche, ist Gesundheit, alles andere wird sich zeigen.

Siehst du im nächsten Jahr deinen Durchbruch für Spartaks Profi-Team?

Ich arbeite hart dran. Im Winter-Trainingslager hatte ich mit Verletzungen zu kämpfen. Das Trainerteam hatte mir in einem Gespräch mitgeteilt, dass ich mir erst einmal in der Zweiten Spielpraxis hole, um meinen Rhythmus wieder zu finden. Ich probiere mich natürlich über Leistungen in der zweiten Mannschaft wieder für die Profis zu empfehlen. Das ist erst einmal mein Ziel. Was dann im Sommer passiert, bleibt abzuwarten und hängt letztlich nur von mir selbst ab.